„Sei realistisch: plane ein Wunder.“ Ein Postkartenspruch. Schon ein paarmal ist er mir begegnet. Neulich erst meinte jemand, damit müsse ich mich als Pastorin ja auskennen, mit Wundern… Aber ehrlich gesagt: mit Wundern hab ich’s nicht so. Vernünftig und nüchtern auf die Gegebenheiten schauen und dann überlegen, welche Schlüsse man daraus ziehen kann – das ist eher meins. In meinem eigenen Leben und auch, wenn ich auf unsere Gesellschaft oder auf die Kirche schaue. Ich bin nicht die mit den großen Visionen. Ich bin eher pragmatisch. Realistisch, würde ich sagen.

Merkwürdig, dass dieser Postkartenspruch nun gerade das zusammenbringt – realistisch sein und das Wunder gleich mitdenken. Ganz so, als sei das ein die logische Konsequenz des anderen: „Sei realistisch: plane ein Wunder.“

Vielleicht hat das damit zu tun, dass Realismus da anfängt, wo man ehrlich auf sich selbst schaut. Und auch auf die eigenen Grenzen. Wer sich selbst realistisch betrachtet, akzeptiert, dass er oder sie sich selbst und das eigene Leben nicht bis ins Letzte in der Hand hat. Das ist ein unpopulärer Gedanke in unserer Zeit, in der einem von allen Seiten Tipps zur Selbstoptimierung entgegenschallen. Und in der jede und jeder Einzelne von uns so viel Freiheit in der Gestaltung des eigenen Lebens hat, wie es sich Generationen vor uns nicht hätten träumen lassen. Ich glaube, wer in unserer Zeit ein Wunder einplant, gesteht sich selbst ein und zu, nicht alles beeinflussen zu können. Auch nicht mit eiserner Disziplin und messerscharfem Kalkül. Wer mit Wundern rechnet, entlastet sich also selbst davon, allein verantwortlich zu sein für das Gelingen des eigenen Lebens.

In der Bibel sind die Wunder das Werk Gottes. In den Psalmen werden sie an vielen Stellen besungen und staunend erzählt. Als das, was unseren menschlichen Horizont übersteigt: Gottes Gedanken über uns und unsere Welt. Das, was wir nicht beeinflussen können – und auch nicht beeinflussen müssen. Weil wir Menschen sind. Nur Menschen. Und eben nicht Gott. Vielleicht ist es ja doch ganz vernünftig, mit Wundern zu planen. Als Menschen, die nicht immer alles in der Hand haben können. Klingt auf jeden Fall befreiend. Realistisch betrachtet…

Es grüßt Sie herzlich
Pastorin Stefanie Reinert

Beitrag teilen