Kirchengeschichte(n): Kriegsende vor 80 Jahren

Anfang Mai 1945 – der Geschützdonner der von Süden heranrückenden Briten war bereits deutlich zu hören und ihre Flugzeuge beherrschten den Himmel über Kaltenkirchen. Im Ort hatte sich die Zahl der Bevölkerung durch die vielen Flüchtlinge aus dem Osten verdoppelt.
Ein kirchliches Gemeindeleben konnte nicht mehr stattfinden. Die Keller der Kirche und des Ziegeldachpastorats (heute Michaelishaus) waren begehrte Luftschutzräume. Alliierte Tiefflieger beschädigten das Dach des Gotteshauses nur leicht und hatten – zum Glück für unsere Kirche – das von der Luftwaffe im Kirchturm installierte Militärgerät nicht bemerkt. Ein Kommando zum Einfangen von Fahnenflüchtigen besetzte eine Zeitlang das Pastorat. Pastor Johannes Thies hatte das Kirchensilber in Kisten verpackt und vergraben, weitere Wertgegenstände lagerten in der Sakristei und auf der Orgelempore. Das rettete die Schätze vor der plündernden Einwohnerschaft. Die NS-Behörden beschlagnahmten die Kirchengebäude, um sie mit Flüchtlingen zu belegen: die Friedhofskapelle (das war damals das 2024 abgebrannte Kirchenbüro), das Pastorat und die Michaeliskirche. In ihr wurden siebzig Flüchtlinge untergebracht, nachdem Schlafstätten mit zwei Fuhren Stroh notdürftig hergerichtet worden waren.

„Die Kirche bot einen unbeschreiblichen Anblick“, schilderte Pastor Thies. Nachdem die Briten Kaltenkirchen kampflos besetzt hatten, normalisierte sich die Lage schnell. Bereits einen Tag nach dem Waffenstillstand und eine Woche später zu Himmelfahrt fanden wieder Gottesdienste statt. Die Michaeliskirche erlebte kurz nach Kriegsende eine Blütezeit: zwei englischsprachige Andachten für die presbyterianischen und katholischen Soldaten aus Schottland, ein Kindergottesdienst, ein evangelischer und ein katholischer Gottesdienst sowie abends Orgelmusik fanden an einem einzigen Tag statt.

Dr. Gerhard Braas

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