Im Juli 1929 feierte die „Kirche zu Kaltenkirchen“ ihren 50. Geburtstag. So hieß damals unsere Michaeliskirche. Für Pastor Ernst Szymanowski war die Feststimmung allerdings spürbar getrübt, da sich der Norddeutsche Rundfunk geweigert hatte, sein Programm zu ändern und den Jubiläumsgottesdienst aus Kaltenkirchen live im Radio zu übertragen. Der Pastor, schon seit mehreren Jahren Mitglied der NSDAP und seit 1927 in Kaltenkirchen, schäumte vor Wut. Er nutzte das Gemeindeblatt „Pflugschar und Meißel“ für seine völkischen und rassistischen Nazi-Parolen: „Aber ich denke, es lebt noch recht viel gesunde Volkskraft in unserem Vaterlande, die sich nicht sinnlos vergeuden lassen will, sondern die sich aus reinen Quellen stärken und stählen möchte.“ Und weiter: „Wir sind Deutsche; was schert uns da die Musik fremdrassiger, kulturell viel tiefer stehender Neger und die sonstigen Ergüsse volksfremder ‚Künstler‘.“ Seine unverhohlene rassistische NS-Propaganda fast vier Jahre vor dem Ende der Weimarer Demokratie förderte im Kirchspiel den Aufstieg der Hitlerbewegung und war ein Vorzeichen der bösen Karriere des Geistlichen. Ende 1933 verließ er Kaltenkirchen, wurde Propst in Segeberg und trat 1938 aus der Kirche aus. Unter dem Namen „Biberstein“ beging Ernst Szymanowski während des Zweiten Weltkrieges Kriegsverbrechen in der Ukraine. Er befehligte dort die Ermordung von bis zu 3000 zumeist jüdischen Menschen. Am Südportal in der Michaeliskirche erinnert seit gut zehn Jahren eine Mahntafel an die Opfer des ehemaligen Kaltenkirchener Pastors – ohne Nennung seines Namens.

Dr. Gerhard Braas

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